Sandabgrabungen

Charakterisierung

Die Böden im Ostmünsterland werden größtenteils durch Sandablagerungen der Saale-Eiszeit bestimmt. Der Rohstoff Sand wird im Kreis Gütersloh an zahlreichen Stellen abgebaut.

Aufgrund des freigelegten nährstoffarmen Sandes bieten Sandabgrabungen sehr günstige Bedingungen für die Entwicklung von Sandmagerrasen und - je nach Grundwasserstand und Abgrabungstiefe - auch nährstoffarmen Stillgewässern. Noch in Ausbeutung befindliche Abgrabungen sind allerdings durch eine hohe Dynamik gekennzeichnet, da ständig neue Abbruchkanten, Sandhügel oder Klein- bzw. Kleinstgewässer entstehen.

Auf randlich gelegenen ungestörten Flächen können sich Pionierarten (Pflanzen und Tiere) trockener, nährstoffarmer Standorte ansiedeln und vermehren. Nach dem Ende der Abbautätigkeit bilden sich durch Einwanderung von den Rändern her oder durch Sameneintrag verschiedene Vegetationstypen aus (Sandmagerrasen, schüttere Hochstaudenfluren, Uferröhrichte, Binsenfluren). Als weiteres Stadium der Sukzession wandern Gebüsche (Brombeeren, Ginster) und Baumarten (Weiden, Birken, Kiefern) ein, womit der offene Charakter dieses Biotopes verloren geht. Je nach Tiefe der im Rahmen der Abgrabung entstandenen Gewässer kommt es in der Regel nach einigen Jahren zur Ausbildung dichter Röhrichtgürtel (Schilf, Rohrkolben) und bei flachen Gewässern in Folge zur Verlandung.

Typische Floren-Vertreter

Sandabgrabungen stellen ein Refugium für Sandmagerrasen-Arten wie Sand-Segge (Carex arenaria), Kleiner Vogelfuß (Ornithopus perpusillus), Bauernsenf (Teesdalia nudicaulis), Kleines Habichtskraut (Hieracium pilosella), Zwerg-Filzkraut (Filago minima) und Berg-Sandglöckchen (Jasione montana) dar.

Typisch sind auch ausgedehnte Ruderalfluren, die u.a. Rainfarn (Tanacetum vulgare), Nachtkerze (Oenothera spec.), Natternkopf (Echium vulgare) und Echte Kamille (Matricaria chamomilla) aufweisen.

An den Gewässern bilden sich oft ausgedehnte Röhrichte aus Rohrkolben (Typha spec.) oder Schilf (Phragmites australis).

Typische Faunen-Vertreter

Unter den Vögeln ist die Uferschwalbe (Riparia riparia) bei uns der charakteristische Besiedler von Sandabgrabungen, denn sie brütet ausschließlich in den künstlich entstandenen Steilufern. Weiter ist mit dem Auftreten des Flußregenpfeifers (Charadrius dubius) und des Bluthänflings (Carduelis cannabina) zu rechnen.

Bei den Amphibien ist besonders die stark gefährdete Kreuzkröte (Bufo calamita) zu nennen. Diese ist bei der Fortpflanzung auf flache und besonnte Gewässerbereiche spezialisiert, welche sich sehr rasch erwärmen und eine entsprechend schnelle Entwicklung der Larven gewährleisten. Geeignete derartige Gewässer findet die Kreuzkröte heute fast nur noch in Abgrabungen.

Die flugfähigen Braunen Sandlaufkäfer (Cincindela hybrida) besiedeln neu entstandene Abgrabungen in der Regel sehr schnell. Zusammen mit verschiedenen Sandbienen-Arten (Andrena spec.) gehören sie zu den typischen Insektenarten dieses Lebensraumes.

Gefährdung und Schutzmaßnahmen

Sandabgrabungen sind „Lebensräume aus zweiter Hand“, d.h. sie entstehen erst durch menschliche Aktivitäten. Eine ganze Reihe verschiedener Pflanzen und Tiere besiedelt diesen besonderen Lebensraum oft innerhalb kurzer Zeit. Problematisch ist der kurze Bestand der Sandabgrabungen. Nach oft nur wenigen Jahren sind die Gebiete ausgebeutet und die Gruben werden häufig verfüllt und rekultiviert. Die größeren Gewässer werden fischereilich genutzt und von Angelvereinen angepachtet oder anderweitig als Freizeitgewässer genutzt. In aufgelassenen Sandgruben, die der natürlichen Entwicklung überlassen werden, können sich dagegen die spezialisierten Erstbesiedler unter den Pflanzen- und Tierarten über viele Jahre ansiedeln und größere Populationen aufbauen. Von diesen älteren Gruben können neu entstandene Abgrabungen dann besiedelt werden.

Aus Sicht des Natur- und Artenschutzes sollten einige Sandabgrabungen nicht rekultiviert bzw. verfüllt werden und es sollte für diese auch keine Nutzung als Freizeit- und Angelgewässer zugelassen werden. Über eine Sicherung des Geländes z.B. durch einen Zaun hinaus müssten keine weiteren Maßnahmen erfolgen, wenn das Gelände einer natürlichen Entwicklung überlassen wird. Wird dagegen der Erhalt eines frühen, d.h. offenen und vegetationsarmen Entwicklungsstadiums angestrebt, sind regelmäßige Pflegemaßnahmen (z.B. Entbuschung) notwendig.