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Ergebnisse von der Wiesenvogel-Kartierung 2022
24.06.2024


Bild: Ein Kiebitz-Männchen beobachtet aufmerksam seine Umwelt (B. Walter)

Seit Jahren ist ein Rückgang der Kiebitzbestände im Kreis Gütersloh und in der Stadt Bielefeld zu beobachten. 

Von über 1280 Kiebitzrevieren im Jahr 2007 nahm der Bestand um fast 70 % auf nur noch 383 Nachweise im Jahr 2019 ab. 

In den Feuchtwiesen-Schutzgebieten des Kreises Gütersloh wurden 2019 so wenige Kiebitze nachgewiesen wie noch nie seit Beginn der Zählungen Anfang der 1990er Jahren. 

In den Jahren 2020 und 2021 ist in den Schutzgebieten wieder eine leichte Erholung festgestellt worden und auch in Bielefeld sind die Kiebitzzahlen wieder etwas angestiegen. 

Eine negative Tendenz ist seit einigen Jahren praktisch in allen Schwerpunktgebieten des Kiebitzes in Nordrhein-Westfalen und auch bundesweit zu beobachten.


Seit dem Jahr 2015 wird versucht, durch verstärkte Schutzmaßnahmen den Abwärtstrend beim Kiebitz in NRW zu stoppen. Über die sogenannten „Kiebitz-Erlasse“ des Landes werden seitdem Geldmittel für Landwirte zur Verfügung gestellt, die Kiebitzgelege auf ihren Flächen und durch Schutzmaßnahmen Nachteile bei der Bewirtschaftung haben. 

In der Stadt Gütersloh und in Bielefeld laufen seit 2015 Gelegeschutzprogramme, die Verluste von Kiebitzgelegen und -küken durch Bewirtschaftungsmaßnahmen minimieren und so den Bruterfolg erhöhen sollen.

Der Kreis Gütersloh und die Bezirksregierung Detmold unterstützen die Wiesenvogelkartierungen finan­ziell. Für ihren Beitrag zur Wiesenvogelkartierung 2022 möchten wir allen Beteiligten herzlich danken!




Entwicklung des Brutbestandes beim Kiebitz im Kreis Gütersloh und in der Stadt Bielefeld zwischen 1991 und 2022


Kiebitz

In den 13 Städten und Gemeinden des Kreises Gütersloh wurden im Untersuchungszeitraum 2022 insgesamt 411 Kiebitzreviere gezählt. Der Vergleich mit den Ergebnissen aus dem Jahr 2019 ergibt eine Zunahme des Bestandes um 13%, gegenüber dem Wert aus dem Jahr 2007 aber ein Rückgang um 67%.

Die größten Kiebitzbestände gibt es in Rheda-Wiedenbrück (94 Reviere) und in Rietberg (93 Reviere). Mit deutlichem Abstand folgt Harsewinkel mit einem Bestand von 57 Revieren. Diese drei Kommunen beherbergen zusammen fast 60% der im Kreis Gütersloh vorkommenden Kiebitze. Bereits seit dem Jahr 2016 sind keine Kiebitzbruten mehr in Werther bekannt geworden und seit 2019 ist der Kiebitz auch in Borgholzhausen ausgestorben, wo auf einer der letzten Brutflächen heute ein Gewerbegebiet zu finden ist.

Als grobe Beschreibung der Verbreitung des Kiebitzes im Untersuchungsgebiet lässt sich sagen:

·         im Süden und Westen des Kreises Gütersloh finden wir noch größere Brutbestände

·         nach Norden und Nordosten wird der Kiebitz dagegen deutlich seltener

Bei der Karte mit den Bestandsveränderungen ist zu erkennen, dass im Vergleich mit dem Jahr 2019 in drei Kommunen im Norden des Kreises Gütersloh zu Abnahmen um mehr als 25% gekommen ist. Positive Entwicklungen sind im Süden und im Südosten des Kreises Gütersloh zu verzeichnen und in der Stadt Gütersloh, wo es seit 2015 ein spezielles Kiebitz-Schutzprogramm gibt.

Immerhin ergibt sich ein etwas freundlicheres Bild als im Jahr 2019. Dennoch ist der leicht höhere Bestand 2022 sicher nicht als Trendwende zu verstehen. Nach wie vor haben wir Abnahmen von fast 70% gegenüber früheren Jahren!

In Bielefeld wurden – ebenso wie 2019 - insgesamt 19 Paare kartiert. Auch in der Stadt Bielefeld gibt es seit 2015 ein besonderes Kiebitz-Schutzprogramm mit Unterstützung durch die Stadtwerke Bielefeld und das Umweltamt.

Nach 2019 kam es im Stadtgebiet zu einem Anstieg des Bestandes auf 27 bzw. 28 Paare 2020 bzw. 2021. Somit stellt das aktuelle Ergebnis wieder einen Rückschritt bei den Bemühungen um den Erhalt des Kiebitzes in Bielefeld dar. Sehr bedenklich ist die Tatsache, dass es nur noch drei kleine Areale im Norden und drei Bereiche im Süden des Stadtgebietes gibt, in denen Kiebitze (noch) brüten.



Bestände des Kiebitzes (in Klammern Anzahl der Reviere) im Kreis Gütersloh und

in der Stadt Bielefeld 2022 und Veränderungen gegenüber der Erfassung 2019


Nistplatzwahl

Für die 430 Reviernachweise im Kreis Gütersloh und in der Stadt Bielefeld liegen Angaben zur Nistplatzwahl vor. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich um nachgewiesene Bruten (Nester) und wahrscheinliche Brutflächen (Kiebitze anwesend und brutverdächtig) handelt, da zur Zeit der Erfassung nicht alle Kiebitze Nester hatten. Zudem wurden diese Daten nur in einem schmalen Zeitfenster von ca. 14 Tagen von 31. März bis 15. April erhoben. In diesem Zeitraum findet normalerweise der erste Brutversuch der Kiebitze statt.

Es siedelten sich 80% der Kiebitze auf Ackerflächen an. Dabei überwogen die bereits bearbeiteten Flächen (Acker schwarz) gefolgt von den Stoppeläckern (Maisstoppeln oder Greening-Stoppeln). Getreideäcker spielten mit 10% nur eine untergeordnete Rolle. Auf Brachflächen und Sonderstandorten mit besonderen Nutzungen (Regenrückhaltebecken, Ausgleichsflächen) konnten jeweils 5% der Paare kartiert werden.

Im Zeitraum 1991 bis 2007 hat das Grünland seine Bedeutung als Bruthabitat für den Kiebitz durch die Trockenlegung von Feuchtwiesen und die Umwandlung in Ackerflächen weitgehend verloren. Knapp 8,5% der Paare siedelten sich 2022 noch auf Wiesen bzw. Weideflächen an, d.h. insgesamt waren es 34 Paare, die im Grünland brüteten. Davon wurden allein 28 in den Feuchtwiesenschutzgebieten festgestellt.




Nistplatzwahl (in %) des Kiebitzes im Kreis Gütersloh und in der Stadt Bielefeld für die Jahre 1991 bis 2022


Kiebitzschutz

Die Biologische Station engagiert sich seit 2015 verstärkt im Kiebitzschutz. In diesem Jahr wurden Kiebitz-Gelegeschutzprogramme in Bielefeld und in der Stadt Gütersloh gestartet, um den Rückgang bei den Kiebitzen aufzuhalten. Innerhalb dieser Programme werden alle Kiebitzpaare oder die Paare innerhalb von Schwerpunktvorkommen gesucht und falls nötig Maßnahmen zum Schutz der Gelege in Absprache mit den Bewirtschaftern durchgeführt.

Als einfachste Maßnahme werden die Gelege auf den Äckern markiert, um eine Zerstörung bei der Bewirtschaftung auszuschließen. Weitergehende Maßnahmen sind z.B. die Einrichtung einer „Feldvogelinsel“, die auch als Kiebitzinsel bezeichnet wird. Dabei wird eine Fläche von 0,5 bis 2 ha Größe innerhalb einer Ackerfläche als Brache liegen gelassen und in der Brutsaison der Kiebitze erst einmal nicht weiterbearbeitet. Gibt es Nester außerhalb der „Insel“, müssen diese markiert und bei der Bewirtschaftung verschont werden. Schlüpfen die Kiebitzküken, können sie in der Feldvogelinsel bleiben und dort Nahrung suchen bzw. sich verstecken, falls Fressfeinde auftauchen.

Weitere Möglichkeiten sind der Abschluss eines mehrjährigen Vertrages zum Kiebitzschutz aus dem Bereich „Vertragsnaturschutz“. Damit wird eine kiebitzgerechte Bewirtschaftung auf Ackerflächen mit finanziellem Ausgleich ermöglicht, z.B. die Anlage einer Schwarzbrache. Natürlich gibt es auch für die Anlage einer „Feldvogelinsel“ eine Entschädigung.



Bild: Kiebitz-Brutkolonie in Herzebrock-Clarholz; 3 Nester (durch Kringel markiert) in unmittelbarer Nähe, davon 2 mit Stöcken markiert; insgesamt waren 6 Nester auf der Fläche (F. Püchel-Wieling)


Austernfischer

Mit 15 Austernfischer-Brutpaaren im Kreis Gütersloh wurde der höchste Wert seit Beginn der Zählungen im Jahr 1991 festgestellt. Seitdem hat sich die Population verdreifacht!

Die Entwicklung zeigt bei uns über die vergangenen 20 Jahre einen langfristig positiven Trend. Für Nordrhein-Westfalen wird ein Bestand von 400-600 Paaren angegeben. 

Aussagen zum langfristigen Trend werden dort nicht gemacht, aber der Kurzzeittrend über die letzten 25 Jahre weist eine Zunahme um mehr als 25% aus. Der Austernfischer gilt in NRW nicht als gefährdete Art!

Der Austernfischer nutzt als Brutflächen häufig Maisäcker, wo er sich oft zusammen mit dem Kiebitz ansiedelt. 

Beide Arten haben dabei Probleme u.a. mit der frühen Bearbeitung der Stoppeläcker (Verlust der Erstgelege), der mangelnden Deckung bei frisch bestellten Äckern und dem Räuberdruck.



Bild: Der Austernfischer – ein Küstenvogel im Binnenland (B. Walter)
Im Gegensatz zum Kiebitz brütet der Austernfischer aber auch auf Dächern von Gewerbebetrieben, Schulen oder Sporthallen. Da er seine Jungen aktiv füttert, ist eine Versorgung der Küken auf den Dächern möglich. Allerdings treten auch hier Probleme auf, die einem hohen Bruterfolg entgegenstehen. In erster Linie sind hier Gefahren für die Küken an den Gebäuden zu erwähnen wie z.B. Dachrinnen oder Fallrohre, die zu tödlichen Unfällen führen können.

Dennoch deutet sich an, dass es die Brutmöglichkeiten auf den Gebäuden sind, die für die Bestandszunahme sorgen. So brüteten im Jahr 2019 etwa 50% der Paare auf Dächern, aktuell sind es aber wahrscheinlich 10 von 15 Paaren, also 67%.

Leider fehlen uns Erkenntnisse darüber, ob ausreichend Jungvögel erbrütet werden oder ob es z.B. eine Zuwanderung von Paaren aus den Küstengebieten gibt, die den regionalen Bestand stützt. Allerdings gingen die Bestände im schleswig-holsteinischen Wattenmeer und in den Niederlanden in den letzten 20 Jahren um ca. 50% zurück. Aktuell sind es u.a. Hochwasserereignisse zur Brutzeit, die dort den Bruterfolg dramatisch reduzieren. Dies könnte eine direkte Folge der Klimaveränderungen (Anstieg Meeresspiegel) sein. Vielleicht „flüchten“ ja bereits einige Austernfischer aus den Küstenregionen in das Binnenland?



Entwicklung des Brutbestandes beim Austernfischer im Kreis Gütersloh zwischen 1991 und 2022


Zusammenfassung und Ausblick

Kiebitz

Der Rückgang des Kiebitzbestandes hat sich nicht weiter fortgesetzt. Einen positiven Trend kann man trotz des leichten Anstieges gegenüber 2019 sicher nicht annehmen. Vielmehr geht der Rückzug aus der Fläche langsam weiter. Dies zeigen auch die Ergebnisse aus benachbarten Kommunen, wo weiter abnehmende Bestände ermittelt wurden (Kreise Warendorf und Soest).

Der Kiebitzschutz konnte in der Stadt Bielefeld und in der Stadt Gütersloh intensiviert werden. Dort gibt es Kiebitz-Schutzprogramme und eine enge Zusammenarbeit mit den zuständigen Umweltämtern und den Landwirten. Der Bruterfolg konnte dennoch nicht durchgehend erhöht werden. Es fehlt noch an effektiven Maßnahmen, die auf den Brutflächen umgesetzt werden müssen.

Die durchgeführten Schutzbemühungen reichen bislang nicht aus, um den negativen Entwicklungstrend zu stoppen. Dazu müssten neben einem Schutz der Gelege vor Verlusten durch Bewirtschaftungsmaßnahmen parallel lebensraumverbessernde Maßnahmen in der Fläche umgesetzt werden.

Austernfischer

Der Austernfischer hat im Kreis Gütersloh wieder leicht zugenommen. Im Gegensatz zum Kiebitz hat der Austernfischer ein zweites „Standbein“ ausgebildet. Er brütet nicht nur auf Ackerflächen – und dort oft zusammen mit dem Kiebitz – sondern auch auf Dächern großer Gebäude, die meistens mit Kies bedeckt sind. Mittlerweile sind viele Standorte bekannt, die aber nicht jedes Jahr genutzt werden. Das Aufstellen von Photovoltaik-Anlagen auf Dächern könnte allerdings zum Verschwinden einiger Brutplätze führen.

Maßnahmen zum Schutz der Feldvögel helfen auch dem Austernfischer, der als Bodenbrüter denselben Beeinträchtigungen ausgesetzt ist wie der Kiebitz!






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